Die Lebenshilfe München greift mit der Suchtgefahr ein heißes Thema auf

inklusion_fuersorge

Menschen sollen in die Gesellschaft eingebunden, ein selbstverständlicher Teil davon sein. Das ist eines der großen Themen bei der aktuellen Flüchtlingskrise und eine Zukunftsaufgabe für Deutschland. Es ist aber auch seit über 50 Jahren ein zentrales Thema der Lebenshilfe. Die Forderungen von Gesellschaft, Interessenverbänden und Politik gehen dabei immer weiter. So soll es künftig immer weniger Einrichtungen der Behindertenhilfe geben, dafür Inklusiv-Kindergärten und Schulen oder auch vermehrt ein betreutes Einzelwohnen für Menschen mit geistiger Behinderung.  

Sind die Erwartungen an ‚die Freiheit‘ zu hoch?

Diese Entwicklung wird von den Lebenshilfen in Deutschland zwar weitgehend begrüßt, doch mehren sich mahnende Stimmen, die vor allzu großen Erwartungen warnen. Einige dieser Einschränkungen wurden am Wochenende bei dem Vortrag „Sucht und Behinderung“ bei der Lebenshilfe in München deutlich. Freiheit bedeutet nämlich immer auch Verantwortung zu übernehmen. „Und das ist in manchen Bereichen für Menschen mit geistiger Behinderung nur sehr schwer möglich“, erklärt Christian Kerler, Koordinator der Lebenshilfe München für den Bereich Wohnen.

Sucht ist immer mehr ein Thema

Margret Meyer-Brauns, Leiterin der Angehörigenberatung, verzeichnet allein bei der Lebenshilfe München, zuständig für die Stadt und den Landkreis, jährlich bis zu 800 Beratungen. Dabei seien vor allem der Anteil an ‚Suchtberatungen‘ in den letzten zehn Jahren dramatisch gestiegen. „Die Angehörigen und Betreuer geben dabei häufig ganz andere Anliegen vor und es wird erst im Laufe des Gespräches klar, dass der/die Betroffene ein Suchtproblem hat. Das geschieht häufig aus Scham, denn Sucht und Behinderung sind bis heute ein Tabuthema. Am Häufigsten sind die Problemfelder Essen, Alkohol und Zigaretten.“

Kaum Erhebungen und Fachbeiträge

„Darum war es auch schwer, für diese Thematik Referenten zu finden“, gesteht Christian Kerler. „Es gibt kaum Erhebungen oder Fachbeiträge dazu.“ Mit Jürgen Hollick vom Bildungswerk des Bayerischen Bezirkstages und Professor Dr. Vitalij Kazin von der Median Klinik St. Georg aber hatte die Lebenshilfe München zwei hervorragende Referenten gewinnen können.

„Die Zahlen sind eindeutig“, so Jürgen Hollick. „Die Zahl der von Sucht betroffenen Menschen stieg in den letzten Jahren in manchen Altergruppen um fast 200 Prozent. Diese Entwicklung spiegelt sich natürlich auch bei Menschen mit Behinderung wieder.“

Inklusion und Fürsorgepflicht im Spannungsfeld

Institutionelle Einrichtungen wie die Lebenshilfe München sieht Hollick im Spannunsfeld mit der Inklusion. „Einerseits soll den Betroffenen Menschen mit geistiger Behinderung möglichst viel an Freiheit und Selbstbestimmung gegeben werden. Dies durch Inklusion zu erreichen bedeutet aber auch, Menschen mit Behinderung in eine suchtgeneigte Gesellschaft zu inkludieren. Anderseits obliegt der Lebenshilfe die Fürsorgepflicht und die ist in letzter Konsequenz dominant. Immer aber müssen Wege und Lösungen sich an der Einzelperson orientieren und Entscheidungen müssen gemeinsam getroffen werden.“ Es gelte dabei weiter die Eigenverantwortlichkeit und die Selbstwirksamkeit zu fördern, führte Jürgen Hollick aus. „Mit Geduld und Einfühlung können auch Menschen mit Behinderung lernen ihre Lustgefühle unter Kontrolle zu halten. Pädagogen sprechen dabei meist von Selbstwirksamkeit und die braucht bei allen Menschen Anleitung und Motivation.“

Viele Fakten und Zahlen im zweiten Teil

Im zweiten Teil berichten wir aus dem Vortrag von Professor Dr. Vitalij Kazin. Er behandelt anhand vieler Grafiken, Zahlen und Vergleiche sehr umfassend das Thema ‚Sucht‘.

Sein Vortrag trägt die Überschrift:

Suchtprobleme bei Menschen mit Intelligenzminderung –
Ein sicherer Umgang mit Suchtkranken